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Food Trends & The Gastronomic Experience

Nicole Srock.Stanley

Nicole Srock.Stanley ist Expertin im Bereich Retail und Freizeitindustrie sowie Destinationsentwicklung mit besonderem Fokus auf Place Making / Branding. Sie ist CEO und Mitbegründerin der dan pearlman Group in Berlin.

WELCHER FAKTOR BESTIMMT DIE RETAIL- UND GASTRONOMIEKONZEPTE DER ZUKUNFT?

Auf der Suche nach dem Zeitgeist in unserer urbanen Gesellschaft entsteht aus dem Kondensat der Wünsche, Sehnsüchte und Möglichkeiten schnell eine Essenz, die sich am besten mit „Experience“ beschreiben lässt. Der moderne Mensch bewegt sich 24/7 in einer stetig komplexer werdenden Welt, er ist immer „on“ und weder Arbeit und Freizeit, noch seine vielen Rollen sind trennscharf voneinander abgegrenzt. In dieser allumfassenden Komplexität gibt es einen limitierenden Faktor, nämlich „Zeit“, genauer „freie Zeit“. Je knapper also die Ressource „freie Zeit“ für uns alle ausfällt, umso wichtiger wird für jeden Einzelnen die Wahl, wie diese freie Zeit perfekt gefüllt werden kann. Dabei verbindet uns ein gemeinsamer Anspruch: wir wollen aus unserer freien Zeit eine lebensbereichernde Erfahrung machen – eine „memorable Experience“. Wenn Zeit die Währung der Zukunft ist, ist Experience die ultimative Investition in die Zukunft. Die Formel für erfolgreiche Konzepte heißt also: mehr Erlebnis, bitte! Egal ob Freizeitpark, Zoo, New Work Space oder Shopping Mall – das Profil und die Attraktivität eines Ortes wird durch deren Erlebniswert bestimmt.
Selbstverständlich gilt das auch für Food- und Gastronomiekonzepte, deren Erlebnisfaktor und deren Einbindung in ein ganzheitliches Gesamterlebnis überzeugen – oder eben nicht. Warum ist das so? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns zum einen mit dem Thema Food – also Nahrung und Ernährung – generell beschäftigen und zum anderen uns den Status Quo bei Food- und Gastronomiekonzepten näher anschauen. Zunächst einmal ist Essen ein Grundbedürfnis. Essen müssen wir jeden Tag. Essen ist aber nicht gleich Essen, denn die Art und Weise, was und wie wir essen, entscheidet ganz maßgeblich über unser Wohlbefinden. „Sage mir, was du isst, und ich sage dir, wer du bist.“, von Jean Anthelme Brillat-Savarin, Physiologie des Geschmacks, ist daher aktuell wie eh und je.

WIE VERÄNDERT UNSERE LEBENSSTIL DIE GASTRONOMISCHEN ANGEBOTE?

Essen ist ein Lifestyle- und Trendthema und Achtsamkeit gerade in aller Munde. Ganz wörtlich darf man diese Aussage in Bezug auf unsere Nahrung und Ernährungsgewohnheiten nehmen. Wir sorgen uns um Qualität und ob Bio bio genug ist oder es gleich Demeter sein muss. Wir streiten um Herkunft, Regionalität oder Super Foods aus aller Welt. Wir sind Verfechter von Craft Produkten, Slow Food und Raw Food. Wir halten Diät oder haben eine Intoleranz oder Nahrungsmittelallergien. Wir fördern unsere Gesundheit mit ayurvedischer Ernährung und Elementen aus dem TCM oder lassen uns gleich ein Ernährungskonzept auf unseren Phänotyp maßschneidern. Trennkost, Vegetarisch, Vegan, Paleo, Detox, Carb-, Lactose- oder Glutenfrei sind uns wichtig. Food Trends sind das große Ding. Zu jedem Food Trend gibt es dann auch gleich die passende Art, wie diese Ernährungspräferenzen zu zelebrieren sind. Unsere Gesellschaft lebt eine Food Diversity und der Markt richtet sich auf die Wünsche und Bedürfnisse der vielfältigen Nutzertypen ein. Food Trends wandeln sich, Intoleranzen beschränken heute nur scheinbar und ausdifferenzierte Ernährungsgewohnheiten schaffen neue Produkte und gastronomische Angebote.

WIE STEHT ES UM DIE UMSETZUNG INNOVATIVER KONZEPTE?

Wenn man sich all dies auf der Zunge zergehen lässt, muss man sich beim Schlendern durch eine übliche Shopping Mall oder die High Street fragen, ob man eine Zeitreise in die Vergangenheit angetreten hätte. Von den vielen innovativen Food Trends ist dort noch wenig zu entdecken. Auf der Produktseite haben mittlerweile selbst Discounter vegane Produkte für jeden Geldbeutel im Angebot, bei Restaurants gibt es fantastische Formate, die sich ihren Platz in den Herzen der veganen oder vegetarischen Community erobert haben. Es gibt Craft Burger und Bäckereimanufakturen wie „Zeit für Brot“ oder Konzepte, die auf die Bedürfnisse von Nutzern zugeschnitten sind, wie zum Beispiel bei der „Adidas Runbase“ in Berlin für Sportler. Oder aber ganz neue Formate, die auf Food on Demand beruhen, wie bei der „Data Kitchen“ in Berlin, die auf die Integration digitaler Services für den Bestell-, Delivery- und Bezahlvorgang setzt.
Nicht so dagegen in den klassischen Retail-Destinationen. Hier herrscht der klassische Food Court oftmals weiterhin vor oder es gibt Fast Food Ketten in Reihe. Doch seien wir mal ehrlich: Entsprechen Food Courts wirklich noch den Bedürfnissen der Besucher? Gerade in Shopping Malls wird es anstrengend, wenn Hunger und Durst uns überfallen und man dann noch den Kilometer bis zum Food Court überbrücken, in der Schlange stehen und um einen Sitzplatz kämpfen muss, bevor man endlich wieder grundversorgt ist. Stressfaktoren wie Lärm, Unübersichtlichkeit, grelles Licht, schlechte Luft, aggressive Musik oder schlechte Akustik in diesen Zonen sind dabei zusätzliche Energieräuber. Hier lohnt ein Blick auf die Dramaturgie von internationalen Freizeitparks, die im Rahmen ihrer Besucherführung ganz natürlich Orte für Ruhe, Entspannung, Restaurants oder Take Aways zum Auftanken dort verteilen, wo es die Besucher benötigen – nicht geballt an einem Ende. Best Case zum Beispiel der Zoo Hannover, Yukon Bay Themenwelt, oder auch der Europapark in Rust. Auch in Shopping Malls sind kleine innovative Pop-ups zwischendrin mit Sitzmöglichkeiten und Bänken eine sinnvolle Maßnahme. Aber das ist natürlich erst der Anfang.

WELCHE FAKTOREN FORMEN DAS GASTRONOMIE-ERLEBNIS?

In der Gastronomie liegt viel Potential für mehr Erlebnis und Genuss. Neue Konzepte müssen her. Markthallen und Wochenmärkte wie der Time Out Market, Street Food Formate wie im Kantini im Bikini Berlin oder ganz hybride mixed-use Concept Stores wie das Marc O´Polo Strandcasino in Usedom können mögliche Antworten sein. Und auch der kleinste Retailer kann mit einer tollen Kaffeemaschine und seinen Barista Qualitäten bei seinen Kunden punkten. Bei einem guten Kaffee lässt sich nicht nur über Mahlwerk, Brühtemperatur und Röstgrad des Kaffees philosophieren, sondern gleichzeitig passiert etwas Schönes. Der Kunde entspannt, tankt auf, lässt sich ein und nimmt sich die Zeit für diesen Moment. Eine verlängerte Aufenthaltsdauer führt bekanntermaßen zu mehr Umsatz. Zeit ist die neue Währung und wer das verstanden hat, sorgt dafür, dass seine Kunden eine gute Zeit haben. Der Vorteil, wenn man auf Gastronomie setzt: Gegessen werden muss jeden Tag. Essen ist also ein Frequenzbringer und das gilt umso mehr, wenn es immer neu inspirierend ist, wenn man wiederkommt. Wenn man davon ausgeht, dass Stammkunden einen wesentlichen Faktor für den Erfolg eines Centers sind, dann schafft man im besten Fall mit Food Angeboten Anreize zur regelmäßigen Wiederkehr – idealerweise von Frühstück über den Lunch bis zum Dinner.
Hier stellt sich die Frage, ob sich der Mehraufwand bei der Integration von Vielfalt und Einzelunternehmen lohnt oder ob man auf Großküche und Gastronomie Outsourcing setzen soll. Outsourcing bedeutet ganz einfach, dass man keine einheitliche Dramaturgie hat bzw. keinen Einfluss und keine Flexibilität bei Anpassungen im Konzept. Gastronomie im Eigenbetrieb kann dagegen für ein holistisches, individuelles und unabhängiges Angebot sorgen.

WAS IST ALSO DAS FAZIT?

Gastronomie und Food dürfen heute nicht ein bloßes Zusatzangebot innerhalb einer Shopping Mall oder einer Retail-Destination sein. Denn: Die Gastronomie und das Angebot an Food entscheidet auf subtile Weise über den Wert des Gesamterlebnisses. Nahrung bestimmt ganz maßgeblich darüber, wie wir uns fühlen. Wenn mein Gastronomie-Erlebnis negativ ausfällt, ist es sehr wahrscheinlich, dass auch das Gesamterlebnis negativ bewertet wird. Neben der kuratierten Auswahl für das gastronomische Angebot gilt es auch über die Architektur und das Design des gastronomischen Ortes nachzudenken. Der Raum als Ort für alle Sinne sollte energetisierend, entspannend, gemeinschaftsfördernd wirken. Menschen wollen hier eine Oase vorfinden. Sie wollen energetisch bereichert werden und erholt nach dem Essen wieder herausgehen. Die Hyperindividualisierung wird sicher noch manche spannende Blüte in der (Retail-)Gastronomie treiben. Wie zum Beispiel bei einem Ramen-Restaurantkonzept, bei dem man ohne Kontakt zu anderen Menschen sein Essen in einer Kabine zu sich nimmt oder bei dem wachsenden Markt von Food Automaten, die Detox Kuren, Bio-Kisten oder den Lunch auf Abruf bereithalten – der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Das Fazit als Take Away in einem Satz: Mehr Mut bei Food!

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